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Beirut für wilde Mädchen

Alltagshelden 03

Beirut für wilde Mädchen

Biografischer Roman in zwei Teilen
aus dem Arabischen von GÜNTHER ORTH
mit einem Nachwort von STEFAN WEIDNER

OT: Flashback, Dar al Saqi, Beirut 2012.

ET:

Seiten: 158

Ausstattung: französische Broschur

ISBN: 978-3-9822252-0-3

Preis: 18,- € [D], 18,50 € [A]

Diese literarische Autobiographie in zwei Teilen ist eine global-arabische Geschichte und schildert aus der Sicht und dem Erleben einer Nur-als-Mädchen-Geborenen eine Jugend im kulturellen und religiösen Schmelztiegel Libanon mit allen Umbrüchen und Radikalisierungen in den 70er-Jahren.

Schließlich, als junge Frau und Studierende, im „Sicherheit“ verheißenden Europa findet sie ihre Heimat in der Sprache.

Der zweite Teil des Romans wurde auf Deutsch verfasst, und der freche und entlarvende Blick des jungen Mädchens hat sich verdichtet zu einem Spiegel auch unserer heutigen Gesellschaft, der global-westlichen.

In seinem Nachwort bettet STEFAN WEIDNER diese Geschichte ein in einen erhellenden Abriss der historischen, politischen und auch literarischen Phänomene – bis zur Explosion im August 2020 – denen Beirut seine Sonderstellung in der arabischen Kultur verdankt.

Ein Buch, das uns glasklaren Menschenverstand lehrt, so wie er angesichts des „zivilisatorischen“ Irrsinns der Welt aus dem Mund furchtloser Kinder spricht. Unangepasst und frech fällt der sezierende Blick auf die vielen, auch tragischen Widersprüche des familiären wie politischen Lebens, den zivilisatorischen Irrsinn, in den die Heranwachsende gezwungen werden soll, und das Lachen bleibt einem zuweilen im Halse stecken. Wir sind im kulturellen und religiösen Schmelztiegel Libanon mit allen Umbrüchen und Radikalisierungen der 70er-Jahre.

Der Freiheitshunger der Unangepassten nimmt seinen Anfang just in einer katholischen von Nonnen geleiteten Schule in Beirut, wohin die Eltern, eine schiitische Familie, sie und ihre Geschwister geschickt haben, um ihrem ausgeprägten Bedürfnis, Teil der Moderne mit all ihren weltlichen Werten zu sein. Sie befürworteten eine „religionsfreie“ Erziehung und schickten die Kinder in eine „Christenschule“. Dort erfährt das wilde Mädchen die „wahre“ Schule des Lebens. Und lernt, was innerer Widerstand bedeutet. Den die Eltern-Generation nicht hat: Die politischen Ereignisse treiben die Familie in den Rückzug; sie suchen Zuflucht in ihrer verengten Identität als Schiiten.

Den Anfang macht eine Erinnerung wie eine Traumsequenz an ihre früheste Kindheit „irgendwo in Schwarzafrika“, wo ein alter Geschichtenerzähler und der glühend heiße Sand, sie auf ihre zukünftige Identität einer starken Frau „eichen“.

Als junge Frau dann in der Schweiz und in Deutschland, wohin sie sich vor allen Rollenzwängen flüchtet, bereichert sie ihre provokante Sprache, auch in der Gegenüberstellung der Kulturen. Bei uns ist [das Sich-entschuldigen] einfach nicht Usus, nicht weil wir unhöflich wären, sondern weil man untereinander keine Grenzen verspürt.

Chaza Charafeddine wurde statt „Vollzeitrevolutionärin“ zu einer engagierten Mitarbeiterin in einem neu eröffneten Zentrum für Sonderpädagogik in einem Bergdorf namens Shemlan: das „Marie-Rose-Boulos-Zentrum für Heilpädagogik“. Doch die Politik und der rassistisch-religiös geprägte Fanatismus machten auch vor solch humanitären Einrichtungen nicht Halt. Marie-Rose, die Begründerin, kümmerte sich nicht nur um Behinderte, sie war zudem eine bekannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Sie pflegte enge Kontakte zu Yassir Arafat, und ihr Einsatz für die Bewohner der palästinensischen Flüchtlingslager stand dem für die Sonderpädagogik in nichts nach. Sie wurde im Bürgerkrieg eines Tages, als sie gerade auf dem Weg ins Dorf war, von Phalangisten entführt. „Es hieß, sie sei aufs Schrecklichste gefoltert worden, und ihr Leichnam wurde nie gefunden. Es hieß auch, man habe sie nach der Folter verbrannt. Jahre später las ich in Etel Adnans Roman Sitt Marie-Rose ausführlich über Marie-Rose’ schreckliches Schicksal.“

Chaza Charafeddine ging erst zum Studium in die Schweiz, dann nach Deutschland und lernte auf einer Eurythmie-Schule in Hamburg den Reichtum der deutschen Sprache und Musik kennen.

Heute bezieht sie auch in ihrer Kunst, Collagen, Fotos, Installationen eindeutig Position und ist in zahlreichen Galerien weltweit, so auch in Berlin vertreten. Ihre literarischen Texte sind in mehreren Anthologien und Magazinen erschienen; die Sammlung mit Kurzgeschichten aus ihrer Zeit in Berlin (»Ein unsichtbarer Koffer«) gilt es noch zu entdecken.

Chaza Charafeddine als vielseitige Künstlerin ist auf www.chazacharafeddine.com zu erleben. Derzeit arbeitet sie an einem Multimediaprojekt über Kafka.

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→ Mehr zu Stefan Weidner

Pressestimmen

FAZ | 21.05.2023

Ohne Schleier, mit Gewehr in der Hand

Die Autorin Chaza Charafeddine hat im südlibanesischen Tyros ein Fotoarchiv eröffnet: Die Bilder erzählen von einem Bruch

 

WDR | 08.01.2021

Ein Mädchenleben in Beirut

WDR 3 Kultur am Mittag

 

Deutschlandfunk Kultur, Buchkritik | 23.01.2021

„Beirut für wilde Mädchen“ von Chaza Charafeddine

von INSA WILKE

 

WDR 3 Gutenbergs Welt | 16.01.2021

Starke Stimmen ohne Quote

mit INSA WILKE

 

Der Freitag I 15.04.2021 & literatursalon.de I 16.04.2021

Vaterunser mit Allah

von IRMTRAUD GUTSCHKE

 

Bookgazette | 02.11.2021

Von Nick Lüthi

 

Qantara I 16.04.2021

Flashback from Beirut

von GERRIT WUSTMANN

 

Pressestimmen

„Erst auf Hocharabisch, der Sprache des Korans und der offiziellen und offiziösen Medien, entwickelt das Buch seine Sprengkraft, wird die Geschichte zu der eines wilden, rebellischen Mädchens. Ungesagtes, Unerhörtes wird hier geäußert. Dabei besteht die Rebellion nicht in einer offenen Provokation, sondern im unbestechlichen Blick, in der Weigerung, die eigene Wahrnehmung, die eigenen Gefühle zu verleugnen, zu verbiegen, sie mit den gesellschaftlichen Erwartungen konform zu machen. " Stefan Weidner

„Was Chaza Charafeddine damit sofort deutlich macht, ist, dass sie aus Kinderperspektive erzählt, (…) und das ist ein großer Reiz, zumindest des ersten Teils dieses Buches, und dann natürlich, dass sie ein großes Gespür hat für die Szenen, die man erzählen muss, (…) und sie entwickelt ganz starke literarische Figuren.“ Insa Wilke, Deutschlandfunk Kultur, Buchkritik, 23. Januar 2021

"Dort [in Deutschland] lebte sie lange Jahre, kam zurück nach Beirut, ging wieder weg, kam zurück - und schrieb über diese und andere Grenzgänge ihres Lebens ihr schmales, aber bemerkenswertes Buch. Das besondere an diesem autobiographischen Text ist seine Offenheit." Lena Bopp, FAZ

" ... überhaupt besteht der größte Reiz dieses Buches in der Art, wie sich im Text Stimmungen mischen. Vor allem aber in der heiteren Kraft, von der man bei der Lektüre angesteckt wird. Im Erzählen hat die Autorin gleichsam einen Schutzmantel um sich gebreitet, unter dem auch wir Platz finden können." Irmtraud Gutschke, Der Freitag

"Chaza Charafeddines Buch jetzt aber als feministisches oder rebellisches Plädoyer zu lesen, tut dem Band unrecht, weil er dadurch unnötigerweise reduziert wird. Es ist vielmehr die gelungene Einvernahme der kindlichen Perspektive und der damit einhergehenden Verschiebung der Tatsachen und Ereignisse, im Kontrast zur späteren, reflektieren Sichtweise, die den Reiz des Bandes ausmachen." Nick Lüthi, Bookgazette

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