Have any questions?
+44 1234 567 890
Doris Wille
Vor etwa drei Jahrzehnten stand ich in einem griechischen Fahrstuhl und entzifferte auf einem Hinweisschild »4 ATOMA«. Aha, hier durften vier Personen mitfahren. Das Atom, das ich im Chemieunterricht als die kleinste teilbare Einheit kennengelernt hatte, war hierzulande also auch die »Person«. Ich war fasziniert. Ebenso faszinierte mich, dass »metaforika« nicht nur »metaphorisch« meint, also im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich alles bezeichnet, was transportiert wird, also auch eine Spedition, was nun einmal ein Transportunternehmen ist. Seitdem bin ich dieser Sprache verfallen. Sie war anfangs mein wichtigster Grund, in diesem Land zu bleiben.
Schnell entdeckte ich, dass Übersetzen eine wunderbare Möglichkeit bietet, tief in einen Text einzudringen. Nichts zu überspringen, sich ihm zu stellen. Schwingungen zu erfassen. Sich am Ausdruck zu erfreuen. Welten aufzutun. Zu begreifen. Ich begann zu übersetzen, zunächst einmal für mich, um wirklich gut zu verstehen. Das ist wiederum wohl die wichtigste Voraussetzung dafür, keine Wörter zu übersetzen, sondern etwas in einer anderen Sprache neu zu sagen. Und das ist oftmals Quasi dasselbe mit anderen Worten, um den deutschen Titel von Umberto Ecos Buch über das Übersetzen zu zitieren.
Dem gehe ich nun schon seit vielen Jahren nach: Manchmal sind es Romane, Kinderbücher oder Gedichte, manchmal sind es Ausstellungstexte oder Interviews, manchmal Drehbücher oder Libretti, von Geburtsurkunden und Scheidungsurteilen ganz zu schweigen.
Außerdem widme ich mich als Übersetzerin und Journalistin der deutschen Okkupation Griechenlands im Zweiten Weltkrieg und dabei vor allem der Oral-History. Offizielle Auszeichnungen sind mir nicht wichtig, aber der Orden, der mir vom Verein der Division Acqui [1]verliehen wurde, bedeutet mir viel.
Doris Wille
Staatlich geprüfte, beeidigte und öffentlich bestellte Übersetzerin für die neugriechische Sprache
Magister in Germanistik und Kunstgeschichte
Aufbaustudium in Journalistik und Öffentlichem Recht
[1] Die »Associazione Nazionale Divisione Acqui« widmet sich dem Gedenken an die Soldaten der italienischen Division Acqui, die im September 1943 auf der griechischen Insel Kefalonia von der deutschen Wehrmacht in einem grauenvollen Blutbad ermordet wurden. Diese Massenexekution mehrerer Tausend Männer gilt als eines der größten Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Der Verein wurde 1945 von Überlebenden und deren Angehörigen gegründet.